Ziel der Formulierung nachfolgender Verhaltensregeln ist es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Sicherheit und Orientierung in sensiblen Situationen zu geben. Der Raum für Fehldeutungen wird verkleinert. Der transparente Umgang mit dem Verhaltenskodex trägt dazu bei Sprachlosigkeit zu überwinden und Grenzverletzungen einfacher benennen zu können.
1. Sprache, Wortwahl und Kleidung
Durch Sprache und Wortwahl können Menschen zutiefst irritiert, verletzt oder gedemütigt werden. Bemerkungen und Sprüche, aber auch sexuell aufreizende Kleidung von Mitarbeitenden können zu einer Sexualisierung der Atmosphäre beitragen und zu Irritationen führen. Jede durch Wertschätzung geprägte Form persönlicher Interaktion und Kommunikation und ein auf die Bedürfnisse und das Alter der Schutzperson angepasster Umgang können hingegen das Selbstbewusstsein von Kindern stärken.
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verwenden in keiner Form von Interaktion und Kommunikation eine sexualisierte Sprache oder Gestik (z.B. sexuell getönte Kosenamen oder Bemerkungen, sexistische „Witze“), ebenso keine abfälligen Bemerkungen oder Bloßstellungen. Sie dulden dies auch nicht unter den Kindern und Jugendlichen.
- Sexualität ist bei Kindern Gesprächsthema. Oft wenden sie sich mit Fragen diesbezüglich auch an Erwachsene. Es ist darauf zu achten, die sachliche Ebene nicht zu verlassen und vor allem nicht in eine sexualisierte Sprache zu verfallen.
- Verbale und nonverbale Signale und Interaktionen entsprechen der jeweiligen Rolle und dem Auftrag und sind auf die jeweilige Zielgruppe angepasst.
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reagieren angemessen auf sprachliche Grenzverletzungen.
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter achten darauf, dass sie während ihrer Tätigkeit keine Kleidung tragen, die zu einer Sexualisierung der Atmosphäre beiträgt (z.B. Kleidung, die den Blick auf die Brust oder Genitalien ermöglicht oder Kleidung, die Unterwäsche absichtlich betont).
- Wir verwenden für die Benennung von Geschlechtsorganen stets die korrekte Bezeichnung, Penis und Vagina/Scheide. Verniedlichende Begriffe werden vermieden.
2. Gestaltung von Nähe und Distanz
Körperliche und emotionale Nähe sind Grundlage für unsere Arbeit mit den Kindern. Es ist wichtig sich der Bedeutung der emotionalen Abhängigkeit als Täterstrategie bewusst zu sein. Die Verantwortung für die Gestaltung von Nähe und Distanz liegt immer bei den beruflichen und ehrenamtlichen Bezugspersonen, nicht bei den betreuten Minderjährigen.
- 1:1 Kontakt sind Bestandteil des pädagogischen Konzeptes und sind transparent zu gestalten.
Die Betreuung eines einzelnen Kindes durch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter ist zu vermeiden. Sollte diese Betreuungsform aus pädagogischen Gründen in Ausnahmefällen notwendig sein, ist darauf zu achten, dass der Zugang für andere Kinder und Mitarbeiter jederzeit möglich ist. Grundsätzlich soll immer versucht werden, andere Kinder mit in ein Angebot einzubeziehen. - Einzelgespräche, Übungseinheiten und individualpädagogische Maßnahmen finden nur an dafür geeigneten Orten statt und müssen jederzeit von außen zugänglich sein.
- Bezugspersonen bauen keine privaten Freundschaften zu betreuten Kindern auf. Es findet keine Fortführung der Beziehung im privaten Rahmen statt (z.B. private Treffen).
- Individuelle Grenzempfindungen werden ernst genommen und respektiert und nicht abfällig kommentiert.
- Bei der Schlafens Situation, wird keinem Kind eine „Gute-Nacht-Kuss“ gegeben.
- Die Betreuung eines Kindes nach Kitaschluss darf nur im Ausnahmefall und möglichst nur mit einer zweiten Betreuungsperson stattfinden. Im Wiederholungsfall werden die zuständigen Kinderschutzeinrichtungen eingeschaltet. Die zusätzlich anfallende Betreuungszeit kann den Eltern des Kindes in Rechnung gestellt werden.
- Schoßspiele: Schoßspiele wie „Hoppe-Hoppe-Reiter“ werden vermieden.
3. Angemessenheit von Körperkontakt
Körperliche Berührungen gehören zur pädagogischen Begegnung. Es geht nicht darum, Körperkontakt grundsätzlich zum Problem zu erklären oder ihn gar zu vermeiden. Entscheidend ist, dass er altersgerecht und dem jeweiligen Kontext angemessen ist. Sie setzen die freie – und in besonderen Situationen auch die erklärte – Zustimmung des Kindes voraus, d.h. der ablehnende Wille ist grundsätzlich zu respektieren. Für die Grenzwahrung sind die Bezugspersonen verantwortlich, auch wenn Impulse von Kindern nach zu viel Nähe ausgehen.
Körperliche Nähe ist angemessen, wenn
- Mitarbeitende sich damit keine eigenen Bedürfnisse nach körperlicher Nähe erfüllen,
- Die körperliche Nähe den Bedürfnissen und dem Wohl des Kindes zu jeder Zeit entspricht,
- Mitarbeitende bei dieser Einschätzung eine sensible Wahrnehmung zeigen und das Kind weder manipulieren noch unter Druck setzen,
- Die Gruppe nicht unangemessen berührt oder irritiert wird,
- Mitarbeitende bei körperlicher Nähe – auch in Vorbildfunktion – auf eigene Grenzen achten,
- Maßnahmen zum Selbst- oder Fremdschutz ergriffen werden müssen.
- Küssen: Küsse bleiben eine familiäre Geste der Zuneigung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter küssen Kinder grundsätzlich nicht. Wenn die Kinder dieses Bedürfnis äußern, machen diese die Kinder liebevoll darauf aufmerksam, dass sie nicht geküsst werden möchten und bieten als Alternative eine Umarmung an.
- Trost: Das Bedürfnis nach Trost in Form von Umarmung, auf den Schoß nehmen etc. soll zuerst vom Kind ausgedrückt werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter achten darauf, dass Form und Dauer des Trostes angemessen bleiben und reagieren sensibel auf die Veränderungen in der Körpersprache des Kindes. Wir etablieren bewusst alternative Gesten für das Trost geben und um Nähe herzustellen (z.B. aktives Zuhören, Hand halten, Hand auf den Rücken legen, sprachliche Begleitung). Für tröstende Zuwendungen wird sich nicht in geschlossene Räume zurückgezogen.
Unerwünschte Berührungen oder körperliche Annäherungen sind nicht erlaubt. Spiele, Methoden, Übungen und Aktionen werden so gestaltet, dass den Kindern keine Angst gemacht wird und sie die reale Möglichkeit haben, sich Berührungen zu entziehen, wenn sie es möchten.
4. Beachtung der Intimsphäre
Der Schutz der Intimsphäre ist ein hohes Gut, dass es zu wahren gilt. Klare Verhaltensregeln tragen dazu bei, die individuelle Intimsphäre der Kinder und auch der betreuenden beruflichen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu achten und zu schützen.
- Die Unterstützung bei der Körperhygiene in Toiletten- oder Duschsituationen orientiert sich am Entwicklungsstand des Kindes. Grundsätzlich ist das Reinigen intimer Körperregionen Aufgabe der Kinder. Die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten ihre Hilfe lediglich in Form von Anleitung an und unterstützt erst dann, wenn es das Kind gefragt hat und dieses eingewilligt hat. Um die Intimsphäre nicht zu verletzen, muss vor dem Betreten der Toilettenkabine angeklopft und auf ein eindeutiges Zeichen zur Gewährung des Zutritts gewartet werden. Das Wickeln findet bei offener Tür statt. Die Kinder werden während der Eingewöhnung ausschließlich und danach möglichst von den Bezugserzieher/innen gewickelt.
- Es wird immer nur ein Kind mit zum Wickeln genommen.
- Es wird darauf geachtete, dass die Kinder nicht in halb – oder unbekleideten Zustand beobachtet werden können.
5. Zulässigkeit von Geschenken
- Im Team, mit den Eltern und in der Kindergruppe wird die Geschenkkultur in der Kita besprochen und reflektiert.
- Das Teilen von Mitgebrachten (durch Kinder) soll möglichst der ganzen Gruppe zugutekommen.
- Geschenke von materiellem Wert (unter Kindern) werden außerhalb des Kitaalltages ausgetauscht und zwischen den Eltern abgesprochen.
- Es werden durch die Begleiter*innen, Praktikant*innen und Freiwilligen keine Geschenke von (höherem) materiellem Wert angenommen.
- Das Team achtet darauf, dass keine Bevorzugung oder emotionale Abhängigkeiten entstehen.
6. Erzieherische Maßnahmen
Erzieherische Maßnahmen müssen so gestaltet sein, dass die persönlichen Grenzen von Schutzbefohlenen nicht überschritten werden. Der Einsatz von Disziplinierungsmaßnahmen ist gut zu durchdenken und transparent zu machen. Konsequenzen zielen darauf, Kinder – möglichst durch Einsicht – von einem bestimmten Verhalten abzubringen. Deswegen ist darauf zu achten, dass die Maßnahmen in direktem Bezug zum Fehlverhalten stehen, angemessen und auch für die von Konsequenzen betroffene Person plausibel sind.
- Die Nichteinhaltung von Regeln wird mit Konsequenzen sanktioniert, die in direktem Zusammenhang mit dem Fehlverhalten stehen.
- Disziplinierungsmaßnahmen werden im entsprechenden Team transparent gemacht.
- Einschüchterung, Willkür, Unterdrucksetzen, Drohung und Angstmachen sind ebenso wie jede Form von Gewalt, Nötigung oder Freiheitsentzug bei Disziplinierungsmaßnahmen untersagt.
- Etwaige Einwilligungen von Schutzbefohlenen in jede Form von Gewalt, Nötigung oder Freiheitsentzug dürfen nicht beachtet werden.
- Das Fotografieren der Kinder ist ausschließlich mit kitaeigenen Medien zum Zweck der Dokumentation gestattet. Freiwillige und Praktikant*innen nutzen ihre Smartphones nicht während der Arbeitszeit.
7. Umgang mit Übertretung des Verhaltenskodex
Regeln machen nur dann Sinn, wenn auch vereinbart ist, wie mit Regelüberschreitungen umzugehen ist. Um sich von typischem Täter(innen)verhalten der Vertuschung und Geheimhaltung abzugrenzen und um abweichendes Verhalten reflektieren zu können, muss in einem Verhaltenskodex auch geregelt werden, wem gegenüber Regelübertretungen transparent zu machen sind.
- Berufliche und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen grundsätzlich auf ihr Verhalten gegenüber Kindern und dessen Wirkung angesprochen werden.
- Alles, was berufliche und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagen oder tun, darf weitererzählt werden, es gibt darüber keine Geheimhaltung.
- Berufliche und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen eigene Übertretungen des Verhaltenskodex und die von Kolleginnen und Kollegen im Team und gegenüber der Einrichtungsleitung transparent.
- Professionelle Beziehungsgestaltung, Nähe und Distanz sowie deren Reflexion sind regelmäßige Themen in Teambesprechungen.